Ein Nachmittag am Pico do Fogo
28. 12. 2014:
Also erzähle ich alles den Stuttgartern Christel und Wolfgang. Sie zögern nicht lange: "Wir haben für heute jetzt gleich die Wandertour in der großen Caldeira gebucht. Komm doch einfach mit." Ich freue mich und werde nette, kluge Leute kennenlernen. Wanderführer Ezequiel und der Fahrer erweisen sich beide als gute Führer und Erklärer.
Die Autofahrt dauert eine Dreiviertelstunde durch karge Landschaft und verstreute Siedlungen, bis wir an den Punkt des Aufstiegs gelangen. Ich klettere mit hinauf bis auf eine Anhöhe. Von hier habe ich einen wunderbaren Blick auf den 2829 Meter hohen Pico do Fogo und den tätigen Nebenkrater, der erst im November 2014 ausgebrochen ist und dessen Lavaströme zwei Dörfer und fruchtbare Weinplantagen zerstört haben.
Auf diesem Platz bleibe ich, um auf die Rückkehr meiner drei Freunde zu warten, denn sie werden jetzt den hohen Hang erklimmen und über die Kammspitze laufen. Für mich ist das zu steil und zu schwer. Ich lasse meine Blicke über das weite Lavatal streifen und bin fasziniert von der atemberaubenden Landschaft und den Gewalten der Natur. Fast eine Stunde lang verweile ich an dem von kühlem Wind erfrischten, sonnigen Hang, an dem Grevilleas wachsen. die auf den ersten Blick wie Nadelbäume aussehen.
Irgendwann steigt in mir das Gefühl des Alleinseins auf. Deshalb klettere ich durch Sand und Asche wieder nach unten. Mit etwas Gerutsche komme ich auf die Autostraße zurück. Unser gelber Pkw ist weiter unten abgeparkt. Der Fahrer ist nicht da. So schaue ich mir das Gebiet vor der großen Caldeira (Kessel) an. Ein Ziegenhirte schneidet in der Nähe der grauen Lavastein-Häuser Futter.
Langsam wandere ich die Autostraße hinab. Sie führt als Steinstraße in die Caldeira hinein. Ich bin begeistert von den Lichtspielen der Sonnenstrahlen an den Felsen. Von der Straße aus schaue ich immer wieder nach oben, ob ich meine Freunde über den Grat kommen sehen kann. Niemand ist zu sehen.
Eine Dreiviertelstunde lang bleibe ich hier auf dem Steinweg. Dann gehe ich zum Auto zurück und warte. Nun kommt unser Fahrer daher. Er hatte mit Arbeitern in dem Lkw gesessen, der am Eingang zur Caldeira steht. Wir warten noch ein Weilchen. Schließlich tauchen die Bergsteiger wieder auf. Gut sehen sie aus und kaum erschöpft.
Mit dem Pkw fahren wir jetzt in den großen Kessel hinein soweit wir können. Vor uns liegt ein breiter, langer, tief schwarzer Lavastrom, gerade erkaltet vom letzten Ausbruch des kleinen Kraters im November,der immer noch Rauch ausstößt. Hier weht ständig ein kräftiger Wind, der mir in das Mikrofon der Kamera bläst. Die Lava hat die Straße versperrt,, die zu den Dörfern führte. Die Bewohner wurden vor dem Ausbruch evakuiert und in Notunterkünfte in Sao Filipe untergebracht. Sollten sie Entschädigungen erhalten,, dann von Hilfsorganisationen oder vom Staat, denn Versicherungen dafür gibt es nicht.
Ich schaue mir die Lava ganz von Nahem an und nehme ein Stück in die Hand. Die Oberfläche glänzt, und die Kanten sind messerscharf. So hart, wie sie sich anfühlt, so schnell zerbricht sie.
Am späten Nachmittag fahren wir zum Hotel zurück. Ich bin Christel, Wolfgang und beiden Kapverdianern sehr dankbar, dass sie mich mitgenommen haben.
Es war ein unvergessliches Erlebnis.