Etwas "Saudade" spüren
Mit meinen neuen Wanderschuhen fühle ich mich trittsicher auf dem glänzenden Plaster. Ich schlendere den langen Straßenzug hinab, zuerst ohne etwas Besonderes zu sehen. Dann aber bildet die Straße plötzlich eine Brücke. der Blick öffnet sich nach links und rechts. Ich stehe hier oben in beachtlicher Höhe, denn tief unten läuft eine lange, schmale Geschäftsstraße entlang. auch dort unten sah ich die Straßenbahn. Als ich fotografierte, war sie schon weg. Faszinierend, wie die Stadt hier so übereinander gebaut ist.
Nach weiteren 15 Minuten Schrägglatt-Pflaster komme ich auf einen weiträumigen Platz an. Er liegt vor einem Hafenbecken. Sicherlich ist das hier nicht der Haupthafen, denn ein Schiff gleitet in ziemlicher Entfernung vorbei. Diesen Dezembernachmittag möchte ich etwas genießen und setze mich auf eine Bank. Ich stelle mir vor, wie hier vielleicht im 15. und 16. Jahrhundert junge Männer über das Meer schauten und sie die Saudade, die Sehnsucht nach dem Unbekannten in weiter Ferne nicht mehr los ließ. Sie heuerten an auf Karavellen, um auf Entdeckungsreisen zu gehen. Die Saudade, immer wieder Thema in der portugiesischen Literatur von einst und jetzt. Und der Portugiese meint, kein Fremder könne die Saudade so nachempfinden wie er selbst.
Mit dieser ständigen Sehnsucht sind die Portugiesen das Seefahrervolk geworden.
Nun gut, meine Sehnsucht ist auf die noch fernen Kapverden gerichtet. Ich gehe weiter auf einen großen Gebäudekomplex zu und komme an den großen Busbahnhof unter dem sich auch die Endstation der grünen Linie, "Cais de Sodré" befindet. "Aha", denke ich mir, "diese Ufer sind also die Kais von Sodré.
Weil ich es mir nicht antun möchte, die steile Straße wieder nach oben zu steigen, gehe ich zum Übergang in die Metro. An Automaten ist ein Ticket zu kaufen. Drückt man auf dem Display wie gefordert herum, könnte man ein einfaches für 50 Cent, ein erweitertes für 1,40 Eur. und ein kombiniertes für 1.90 Eur. kaufen. Ich habe herumgedrückt so viel ich konnte, es kam immer das Ticket für 1,90 Eur. heraus. Das wird dann vor der Durchlasssperre auf einen Sensor gelegt und schwupp kann man schnell durchschlüpfen. Eigentlich liege ich noch gut in der Zeit. Aber wieder irgendwo auszusteigen, dazu habe ich keine Lust. Deshalb fahre ich 40 Minuten lang zum Airport zurück.
Diese U-Bahn-Station ist ziemlich neu und bekannt durch die lustigen Karrikaturen an den Wänden des langen Eingangskorridors.
Oben im Flughafengebäude stehe ich vor der Frage, wo befindet sich mein Abfluggate? Ich gucke auf die Tafeln und finde den Flug mit Gate 44A. Aber wo ist der bloß? Ringsherum gibt es diese Nummer nicht. Ich steuere auf eine junge Guia zu. Sehr nett unf freundlich erklärt sie mir, ich müsse zuerst durch die Passkontrolle, dann durch die Sicherheit. Das liege alles weit hinten immer geradeaus. Schließlich finde ich es. An der Passkontrolle steht wieder meine freundliche Guia. Sie nimmt meinen Pass und legt ihn auf den Sensor. Ich darf vortreten, will aber auch gleich durch die Sperre. Aber nein. Ich muss stehen bleiben und werde erst einmal fotografiert. Dann darf ich passieren.
Nach der Sicherheitskontrolle muss man eine breite Treppe hoch steigen und kommt in einen riesigen Duty Free Shop. Wehe, man schaut auf die Auslagen und nicht nach oben auf die Schilder. Dann findet man den Weg zum Ausgang in die Wartehalle nämlich nie. Es geht an der Seite entlang zwischen Auslagen und weiteren Shops.
In dem weiten Hallenkomplex angelagt, stille ich meinen Hunger und Durst bei "King Burger". Menü: 1 Kingburger, 1 Tüte Kartoffelchips und eine Flasche Cola. Man lebt ja sonst nicht so gesund.
Bald finde ich meinen Gate 44A, setze mich dort hin und warte noch 45 Minuten. Dann beginnt das Drama. Eine Menge Passagiere stellen sich in Schlangen auf. Der Durchlass beginnt. 99 Prozent müssen Kapverdianer sein, ganz wenige hellhäutige Europäer. Lange dauert auch das Warten auf die Zubringerbusse. Schließlich finde ich nach Einstieg in die Maschine meinen Platz am Gang. Hinter mir nehmen drei Frauen Platz. Sie sorgten 4 1/2 Stunden lang durch pausenloses Geschnatter in den höchsten Tönen in Kriolu für Beschallung. Mir gelingt es aber, das Geschnatter für "normal" zu halten und zu ertragen.