Mindelo am Neujahrstag
01. 01. 2015.
Die Besichtigung der Hafenstadt Mindelo auf der Insel Sao Vicente macht mich gespannt, weil ich gelesen habe, dass der Ort eine interessante, wechselhafte Geschichte hat.
In der Stadt leben ungefähr 75 000 Einwohner, 98 Prozent der Inselbevölkerung. Der Hafen (Porto Grande) gilt als der sicherste Anlegeplatz der Kapverden. Früher war er sogar einmal der größte Hafen zwischen Lissabon und dem Kap der Guten Hoffnung.
1838 ordnete die portugiesische Regierung den Ausbau Mindelos als Handelshafen an. 1850 erhielt der britische Konsul die Genehmigung für die Errichtung einer Kohlebunker-Station. Andere englische Einrichtungen kamen dazu. Bereits 1810 hatte Großbritannien von Portugal vertraglich das Vorrecht auf den Handel mit der portugiesischen Kolonie Brasilien erhalten. Mindelo wurde als Versorgungshafen für die Schiffe von und nach Südamerika ausgebaut. Das führte zum wirtschaftlichen Aufschwung für die Insel, die landwirtschaftlich kaum nutzbar war.
Ende des 19. Jahrhunderts aber galt Mindelo auch eine der verderbsten Städte in der Welt. Damals versorgten sich bis zu 2000 Schiffe pro Jahr im Hafen mit Kohle und Wasser. Seeleute aus aller Welt hatten hier Landgang, und das Geschäft mit der Prostitution blühte. Mindelo wurde damit auch zur Stadt mit der größten Freizügigkeit. Den Ruf, liberal und tolerant zu sein, hat die Stadt bis heute.
Um 1900 wuchs die Konkurrenz durch die Häfen Las Palmas auf Gran Canaria und Dakar in Senegal. Bis 1920 ging die Zahl der ankernden Schiffe drastisch zurück. Die Schiffe fuhren kaum noch mit Kohle sondern in zunehmendem Maße mit Dieselkraftstoff.
Unter dem Salazar-Regime versuchte nun Portugal, den Handel mit den eigenen Kolonien in Afrika, vor allem Angola, zu intensivieren. Dazu wurden die 900 Meter lange Mole und moderne Hafenanlagen errichtet.
Nach der Unahängigkeit baute der junge kapverdianische Staat den Hafen weiter aus. Er kann heute Schiffe bis 11,5 Meter Tiefgang aufnehmen.
Die Stadt ist immer noch attraktiv für Zuwanderer von anderen Inseln und aus Westafrika. Wer Erfolg hat, leistet sich einen gehobenen Lebensstil. Wer scheitert, lebt in ärmlichen Verhältnissen in den Wohnvierteln am Rande der Stadt.
Für mich beginnt der Neujahrstag sehr angenehm. Drei junge Kapverdianerinnen umarmen mich stürmisch im Frühstücksrestaurant und wünschen mir ein gutes Neues Jahr.
Dann aber wird es mächtig laut, eine Gruppe Engländer macht sich an den Tischen breit und spektakelt durch den Raum. Ich bin mit dem Kaffee nicht zufrieden. Er hat einen Beigeschmack nach Medizin.
Den ganzen Vormittag spaziere ich durch die Stadt. Sie scheint so gut wie ausgestorben zu sein, weil Feiertag ist. Alle Geschäfte und Restaurants bis auf ein Café in der Nähe der Uferstraße sind geschlossen. Erst spät, um 15.00 Uhr, esse ich in der geöffneten Gaststätte am Hotel gebratenen Fisch mit Gemüse und Pommes frites.
Das Stadtbild gefällt mir. Die historischen Bauten leuchten in sauberen Pastellfarben. Auch Straßen, Plätze und Wege sind rein. Ich glaube, dass die Stadt Unterstützung für die Restaurierung - vielleicht von der UNESCO - erhalten hat.
An der Uferpromenade liegt eine hübsche Parkanlage mit einem großen Kinderspielplatz. Ich freue mich, weil hier ausgelassenes Treiben herrscht.
Im Mindelhotel mit der hohen blauweißen Fassade will ich meinen Akku für die Kamera aufladen.
Ich finde keine passende Steckdose. Schließlich vermute ich so etwas oben an der Wand am hängenden Fernseher. Ich klettere auf den Schreibtisch, um den Stecker vom Fernseher weit oben herauszuziehen. Er hat geklappt, der Akku wird wieder geladen.
Morgen setzte ich mit der Fähre über zur Insel Santo Antao..