Am alten Friedhof von Castavel
Meine sonntägliche Radtour sollte mich heute zu den Ruinen des alten, mitten im Wald gelegenen Friedhofs des in vorigen Jahrhunderten verschwundenen Dorfes Castavel führen. Das Dorf befand sich wahrscheinlich in der Nähe des Großen Kastavensees hinter dem kleinen Gutsdorf Sähle nordwestlich von Lychen. Der Weg dorthin führte mich auf der Chaussee in Richtung Fürstenberg aus Lychen hinaus. Gleich hinter dem Gewerbegebiet führt die mit alten Süßkirchenbäumen umsäumte Asphaltstraße nach Sähle. Am Anfang des kleinen Ortes verzweigt sich der Weg. Ich bin nach rechts gefahren in Richtung Retzow. Vielleicht hundert Meter hinter dem letzten Haus auf der linken Seite geht ein ein Waldweg links ab, der abschüssig zum Großen Kastavensee führt. Ich hatte eigentlich die Absicht, nur den See zu besuchen, denn ich habe diese Gegend bisher noch nicht mit dem Fahrrad befahren. An den alten Friedhof hatte ich nicht gedacht. Deshalb war ich sehr überrascht, als plötzlich das Feldsteintor links vom Weg unter schattigen Buchen auftauchte. Meine Freude war groß, zumal ich vor Jahren schon einmal nach dem Friedhof gesucht hatte. Ich bin allerdings damals an der Abzweigung in Sähle nach links gefahren und wahrscheinlich an den Ufern des kleinen Kastavensees gelandet. Vergeblich hatte ich dort lange nach der Friedhofsruine gesucht.
Jetzt konnte ich mir alles genau ansehen. Vom Portal mit gotischen Spitzbogen geht links und rechts eine Rundmauer aus Feldsteinen ab. Auf dem Innengelände sind keine Grabstellen mehr zu finden. Aber außerhalb umgibt ein schmiedeeiserner Zaun zwei oder sogar drei Gräber mit Steinumrandungen. Ich hatte den Eindruck, dass diese Grabstelle wesentlich später angelegt wurde, vielleicht erst im 19. Jhd.
Der Friedhof selbst wird aus dem 13. Jhd stammen, denn das ehemalige Dorf Castavel und die beiden Seen, der Grote und der Lütke Castavel, kamen nachgewiesen 1299 an das Kloster Himmelpfort. In der ersten Hälfte des 15. Jhds. wurde das Dorf mehrfach geplündert und ausgeraubt. Vermutlich hatten sich die Dorfbewohner auf dem Friedhof hinter den sicherlich hohen Mauern verschanzt und Schutz gesucht. Aber selbst auf dem Friedhof sollen die Hofleute von Fretsdorf und Rynsberg (Rheinsberg) und des Bischofs Lehnemann von Czechylin (Zechlin) mit ihren Helfern 33 große Stück Pferde, Ochsen und Kühe weggenommen haben. Die Überfälle wiederholten sich. Das Dorf wurde in der Raubritterzeit verwüstet. Allerdings bleibt offen, wann das Dorf endgültig zerstört worden ist. Möglich ist es, dass es während des Krieges zwischen Brandenburg und Mecklenburg 1440 vernichtet worden ist. Damals wurde auch das benachbarte Dorf Retzow niedergebrannt.
Steht der Naturfreund vor dem feldsteinerndem Torbogen, vergisst er wohl für eine Weile seine botanischen Interessen, weil seine Gedanken in dunkle Vergangenheit gezogen werden.