Wer sitzt denn da?
Genau das fragte ich mich neulichabends, als ich aus dem Konzert kam und zu meinem in der Nähe stehenden Auto ging. Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt. In den schattigen Ecken und an sonnenabgewandtem Häuserfassaden war es schummrig geworden. Ich kam aus dem Templiner Gemeindehaus. Um nicht durch Straßen an dem Gebäude herum zu gehen bis zu der nächsten Parallelstraße, in dem ich meinen Pkw geparkt hatte, schlug ich den Weg durch einen schmalen Gang ein, der sich zwischen der Magdalenen-Kirche und dem Gemeindehaus entlang zieht und in meiner gesuchten Straße mündet. Als ich aus dem engen Weg herauskam, lag der gegenüber stehende Wohnblock schon im Abendschatten. Ich schaute hinüber zu der Bank und stutzte "Ach der arme Mann", dachte ich voller Mitleid."Er wird kein Zuhause haben und schläft deshalb auf der Bank. Vielleicht hatte er auch Einen zu viel getrunken und nüchtert da aus mit seinem ins Gesicht gezogenem Hut. Ganz in grauen Klamotten ist er gekleidet. Frisch sehen sie gerade nicht aus. In Templin halten sich im Sommer Obdachlose auf. Aber ihm fehlt der Sack mit den Habseligkeiten," so schossen mir schnell die Gedanken durch den Kopf. Ich ging ein paar Schritte über die Straße zu ihm hinüber. Dann sah ich ihn mir genauer an - naturgetreu und doch nicht lebendig. Eine lebensgroße Skulptur aus Holz geschnitzt saß auf der Bank. Eine meisterhafte Arbeit!
Wer weiß, wie lange der Holzmann dort schon sitzt. Aber er ist nicht allein. Er hat Gesellschaft. Eine Frau gleicher Herkunft und gleichen Standes schaut von der zweiten Bank aus zu ihm herüber. Ich nehme an, Kinder haben sie weiß geschminkt. Sie kann sich die Farbe nicht abwischen. Es sei denn, jemand kann Beide mit einem Spruch oder einer besonderen Tat zum Leben erwecken....