Klopapier und Miteinander
In der neuesten Ausgabe derr "Neuen Lychener Zeitung" vom 8. April 2020 hat mir die Glosse auf der letzten Seite gefallen. Sie gab mir Klarheit darüber, weshalb Bürger unserer Wohlstandsgesellschaft massenweise Klopapier kaufen. Hier noch einmal der Text in deutlicher Schrift:
"Das Rätsel, warum Mitbürger größere Vorräte an Klopapier anlegen, ist gelöst: Sie haben Schiß!
Nun wäre es leichtfertig, sich darüber einfach lustig zu machen. Die Anlage eines Klopapier-Lagers zeigt Weitblick. Der Stadtstreicher kommt bei seinen Recherchen in Supermärkten zu dem Ergebnis, dass der durchschnittliche Klopapier-Anleger bei normaler Verdauung und durchschnittlichem Verbrauch bei einem Zweipersonen-Haushalt bis zum Jahre 2028 vorgesorgt hat. Eine allein lebende Mitbürgerin, 78 Jahre alt, möchte auch ihren Kindern und Enkeln eine sorgenfreie Zukunft in diesem wichtigen L.ebensbereich sichern.
Klopapier, trocken gelagert, ist nach Auskunft von Experten unbegrenzt haltbar und damit ein Beitrag zur so häufig geforderten Nachhaltigkeit.
Alred Preuß"
Nachrechnen, ob das mit dem ZweipersonenHaushalt bis 2028 stimmt, lohnt nicht der Mühe, weil die gekaufte Menge und der Tagesverbrauch fehlen. Aber der Anblick der voll bepackten Einkaufswagen - und das nicht nur einmal und nicht nur an einem Ort - lassen wohl solche Schätzungen zu, meine ich.
Ich frage mich, ob sich unter diesen Vorratseinkäufern, auch Hamsterer genannt, zu Recht gelobte hilfsbereite Mitbürger befinden, die in der jetzigen "schweren Zeit" Alten und Schwachen zur Seite stehen und das Klopapier gerecht unter den Hilfsbedürftigen verteilen. Einige vielleicht. Weshalb aber so viel Klopapier? Ich als allein stehender älterer Mann reiche mit einer Rolle viel länger als eine Woche aus bei sauberen Unterhosen.
Nun gut. Am Sonnabend vor Ostern habe ich mir die Rede unseres Bundespräsidenten an das Volk angehört. Viel Lob und Dank hat er allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern gezollt, für die Disziplin und das Verständnis für die einschneidenden Maßnahmen der Bundesregierung im Kampf gegen das Corona-Virus. Und er hat der Hoffnung Ausdruck gegeben, das eine neue Ära des Miteinanderlebens in der Gesellschaft nach Überwindung der Krise eintreten werde. Die Menschen würden Solidarität und Füreinanderdasein nicht vergessen sondern auch in Zukunft weiterleben.
Über diese Gedanken habe ich mich gefreut und überlegt, wie kann das in der Gesellschaft funktionieren. Welche Rolle spielt eigentlich der Bürger in diesem globalen kapitalistischen Wirtschaftssystem? Ich meine, seine Hauptrolle ist die des Konsumenten - weniger des Produzenten. Er hat die Funktion des Warenkäufers und Garant für die Gewinnrealisierung der produzierenden Unternehmen. Je mehr er Waren kauft, um so höher der Gewinn, um so höher auch die Gewinnausschüttung an Aktionäre. Nach Rückkehr in die Normalität hat der Bürger wieder die Gelegenheit. Er wird in seine alten Gewohnheiten zurückfallen und kaufen, kaufen, kaufen. Es sei denn, er erinnert sich an die Zeit der geschlossenen Geschäfte, Einkaufspassagen, Restaurants, Cafés und Fitness-Center, an die Zeit ohne den 8-Stunden-Tag im Büro oder in der Fabrik, an die Zeit, als er mit Weniger auskommen musste und freie Zeit für sich und Andere hatte. Wird er der Auffassung sein, dass er mit weniger Stress, mehr Achtsamkeit und Hilfe für Andere besser gelebt hat? Diese Entscheidung ist sehr persönlich. Es bleibt abzuwarten, ob sie vielfach und in der Gesellschaft spürbar sein wird.
Ich glaube eher, dass die Gewohnheiten der Wohlstandsgesellschaft wieder zurückkehren in den Alltag. Die Idee, Mundschutzplicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften einzuführen, mag die Zeit der Krise in der Erinnerung wach halten. Vielleicht auch ähnliche solcher Maßnahmen, z. B. Abstand halten. Der arbeitende Mensch aber ist wieder voll mit dem Geldverdienen beschäftigt. Die großen Aktiengesellschaften wie z. B. Porsche, sind schon jetzt, wo die ersten Anzeichen für eine Lockerung der Corona-Maßnahmen lautbar werden, emsig bemüht zu planen, wie sie die Produktion wieder voll hochfahren können.
Alle wollen wieder Konjunktur in der Wirtschaft und zwar in der globalen Wirtschaft. Bedeutet aber globale Wirtschaft in der Form, wie wir sie bereits hatten, nicht zugleich wieder Pandemie für Natur und Erde? Haben nicht globale Wirtschaft und Verkehr auch das Virus weltweit in Umlauf gebracht? Ist nicht die global orientierte Profitwirtschaft das Grundübel unserer Zeit? Das Corona-Virus dieser Art wird sicherlich durch Impfungen und Medikamente für die Zukunft ungefährlich gemacht, und das Problem ist erst einmal vom Tisch.
Viren sind allerdings - so meine Auffassung - Erscheinungsformen der Natur. Vielleicht haben gerade die Corona-Viren ihre evolutionäre Heimat in Ostasien. Sie entwickeln sich, und neue Arten werden entstehen. Sie können wieder lebensbedrohlich sein und Epidemien auslösen. Pandemien aber schafft nur die menschliche Gesellschaft mit ihrer jetzigen Wirtschafts- und Lebensweise. Das wäre übrigens ein echtes Thema für die Forschung: "Globalismus und Pandemien". Vielleicht greift es die Leopoldina auf.