Ein Besuch in der Goldkammer von Frankfurt am Main
Mitte Oktober 2021 reisten wir wieder einmal für eine Woche nach Frankfurt am Main. Wir waren schon öfter dort, haben viele Sehenswürdigkeiten kennen gelernt und es uns gut gehen lassen.
Dieses Mal jedoch galt unser besonderes Interesse den gesammelten Goldschätzen der Degussa-Bank. Durch Zufall hatte ich davon erfahren. In Frankfurt machten wir uns auf die Suche. Die Ausstellung war für uns nicht so leicht zu finden. Das Haus steht im Kettenhofweg, eine kleine, ruhigen Straße, inmitten schöner alter Bürgerhäuser, nicht allzu weit entfernt von der Alten Oper. Lange hatten wir uns durchgefragt, bis wir die „Goldkammer“ gefunden haben.
In einer Villa sind die Schätze ausgestellt, nicht oberirdisch sondern unterirdisch. Wie uns der Guide berichtete, wurde eigens dazu die gesamte Villa angehoben, um unter der Erde Stollengänge anzulegen als sicherer Ort für die Schatzsammlung.
In den unterirdischen Kammern sind mehr als 500 Exponate ausgestellt aus einer Zeitspanne von den Anfängen des Universums bis in die Gegenwart. Kulturhistorisch wird die Bedeutung des Goldes in mehr als 6000 Jahren Menschheitsgeschichte dargestellt.
Die Goldkammer ist in sechs Abteilungen gegliedert:
Entstehung des Goldes, Abbau des Goldes, Frühe Kulturen/Goldstück – Geldstück, Antike Welten/Eldorado, Gold aus den Meeren, Sammlung Rothschild. Den Abschluss bildet der Museumsshop.
Gleich zu Beginn unseres Rundgangs verblüffte uns der freundliche und sehr belesene junge Guide persischer Abstammung mit der Bemerkung, das Edelmetall Gold wäre außerirdischer Herkunft. Gold ist ein sehr schweres Metall mit einer sehr hohen Dichte. Entstanden ist es durch die Kollision von Neutronensternen. Vor Milliarden von Jahren landete das dabei geschaffene und durch das All geschleuderte Gold im Innern der entstehenden Erde. Milliarden Jahre alte Meteoriten und ein fast 4 Kg schweres Goldnugget aus Westaustralien sind Zeugnisse für gewaltige Transformationen im Universum.
Gold wurde anfangs von den Menschen aus Flüssen gewaschen, später wurde nach Nuggets gegraben und das Erz in Bergwerken abgebaut. Im fünften Jahrtausend v. Chr. beginnen Menschen, Gold zu bearbeiten. Verschiedene Formen von Rohmaterial wie zum Beispiel Golddraht, Ringe, Blattgold oder kleine Bleche konnten wir uns anschauen. Ein
Standard-Goldbarren aus heutiger Zeit mit einem Volumen von 0,6 Litern durfte von uns mit einer Hand angehoben werden. Frank schaffte es, ich nicht. Der Barren wog 13 Kilo!
Aus frühen Kulturen, aus dem 1. Jahrtausend vor Chr., zeigen beispielsweise Kunstwerke der Skythen, Thraker und Achämeniden symbolische Tierdarstellungen. Hirsch, Greif, Löwe, Stier und Schlange sollen ihren Besitzern Kraft verleihen und deren göttliche Macht verdeutlichen.
Das Edelmetall, begehrt bei Freund und Feind, wird zum allgemeinen Zahlungsmittel. Zuerst immer wieder abgewogen, wurde es später genormt in Form geprägter Goldmünzen. König Krösus erlangte durch sein Münzsystem aus Gold und Silber beherrschenden Einfluss auf den Mittelmeerraum. Mit seinem unermesslichen Reichtum lebt er bis heute in der Legende fort. „Solidus“ hieß die Bezeichnung einer Goldmünze in der Antike. Das Wort steckt heute noch im „Soldaten“.
So wurde das Gold in der Antike zum beherrschenden Wirtschaftsfaktor und Statussymbol. Jeder, der Rang und Namen hatte, strebte nach Gold. Goldene Lorbeerkränze für die Sieger, Goldmünzen in Schmuckstücken für reiche Patrizier. Griechische und römische Mythen ranken sich um das Gold. Selbst Götter sind für Gold empfänglich.
Beeindruckendes Unikat ist die Goldbüste des oströmischen Kaisers Licinius I. Auf seinen Feldzügen trugen sie die Soldaten auf einer Stange als Standarte voran bis zum Sieg oder bis zur Niederlage. Daher rührt heute noch der Begriff „bei der Stange bleiben“. Der weströmische Kaiser Konstantin ließ nach dem Sieg über Licinius 325 nach Chr. alles vernichten.
Aus der Kammer der Antiken Welten kamen wir in das Reich des Eldorado aus der Zeit der spanischen Konquistadoren. In mittel- und südamerikanischen Hochkulturen stand das Gold in göttlicher Beziehung zu Sonne. Dem glänzenden Metall wurden wesensverändernde Kräfte zugesagt. Gold verwandelte ihre Träger in göttliche Lichtgestalten. Wer mit Gold geschmückt war, besaß weltliche und spirituelle Macht. Mystische Tieramulette und kunstvolle Masken zeugen von der hohen Kunst der Goldschmiede dieser Völker.
Eldorado wurde zum geheimnisvollen Goldland, nach dem die Europäer suchten. Sie raubten die Kunstschätze vom 16. bis zum 18. Jahrhundert und transportierten das Gold per Schiff über den Atlantik zur spanischen Krone. Spanien wurde abhängig vom Gold und Silber der Kolonien für die Finanzierung seiner Kriege. Aber Schiffe kenterten im Sturm. Kostbare Fracht versank auf den Grund der Meere. Taucher bringen einen Teil Schätze heute wieder ans Tageslicht und entdecken dabei, mit welchen raffinierten Methoden solche Kostbarkeiten auch für den Eigenbedarf geschmuggelt wurden.
Die letzte Abteilung umfasst eine Leihgabe der Familie Rothschild an das Museum. Die mehr als 300 ausgestellten Goldbarren stammen aus der größten Goldbarren-Sammlung der Welt. Auch als Rothschild-Sammlung bekannt, besteht diese Kollektion aus insgesamt 1 084 Barren von 145 Herstellern aus 35 Ländern.
Nachdem wir lange in die vielen Vitrinen geschaut hatten, setzten wir uns endlich auf die Stühle im halbdunklen Vortragsraum. Unser Guide projizierte einen Film auf die große Leinwand, der die gesamte Ausstellung noch einmal an uns revue passieren ließ.
Für uns war das ein großartiges Erlebnis. Wir haben viel Neues erfahren und das Gold vor allem als Kulturgut der Menschheit schätzen gelernt.
P. S.: Und was für uns heute wissens- und nachdenkenswert ist: Das Material Gold ist für die Raumfahrt, Medizintechnik und Elektronik nicht mehr wegzudenken. Vierzig Mobiltelefone enthalten etwa so viel Gold wie eine Tonne Erz.