Das Lychener Testzentrum
Natalie Gruschla berichtet über Erlebnisse in der privaten Einrichtung
Als im Dezember vergangenen Jahres die 3-G-Regel auch für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angeordnet worden war, bekam ich in Lychen ernsthafte Schwierigkeiten. Ich brauchte einen Antigen-Schnelltest für die Bahn. Das DRK in der Springstraße hatte die Tests für die Öffentlichkeit eingestellt. Zum Glück half mir die Arztpraxis von Frau Dr. Schumacher. Ähnlich mag es zu jener Zeit auch anderen Lychenerinnen undLychenern gegangen sein.
Um so mehr freute mich Anfang Februar 2022 nach der Rückkehr aus unserem Urlaub in Mexiko, dass in der Hospitalstraße 4 ein Testzentrum eingerichtet und geöffnet war. Weil wir wieder mit der Bahn fahren mussten, gingen wir also hin und wurden von einer netten jungen Frau getestet. Wir kamen miteinander ins Gespräch und waren am Ende sehr beeindruckt von der Sachkundigkeit der jungen Frau. Kurz entschlossen lud ich sie zu einem Gespräch ein mit der Absicht, über sie und ihr Testzentrum einen Beitrag für die NLZ zu schreiben.
Bei einer heißen Tasse Kaffee erzählt mir Natalie Gruschla die bislang kurze aber bewegte Geschichte ihres Testzentrums:
Kurz vor Weihnachten, am 28. 12. 2022, eröffneten wir die Teststation als private Einrichtung für die Öffentlichkeit. Mir war klar, dass Lychen wegen der starken Nachfrage unbedingt eine solche Teststelle brauchte. Aber auch vorangegangene Erlebnisse hatten mich zu diesem Schritt motiviert. Wir haben selbst vier Kinder, zwei von ihnen sind schon größer und gerne viel unterwegs, ebenso auch ihre Freunde. Für ihre Mobilität brauchen sie oft diese Tests. Mich hat zudem ein Vorfall stark emotionell mitgenommen, als eine ältere Dame von einem Busfahrer nicht mitgenommen wurde, weil sie nicht den vollständigen Impfschutz und keinen Test hatte. Solche Schicksale lassen mich nicht kalt.
Auch wenn Kinder einfach stehen gelassen werden, weil sie ihre Fahrkarte vergessen haben. Ich habe mich mit der UVG-Direktion gestritten und schließlich Recht bekommen.
Vorher hatte ich das Modegeschäft nebenan und dann die kleine Boutique in den Räumen des jetzigen Testzentrums. Wir wollten Jugendliche aus der Stephanus-Stiftung in Hohenlychen ins Geschäft einladen, damit sie sich beschäftigen konnten. Dafür hatten wir ein Hygiene-Konzept erarbeitet. Die Heimleitung hatte unsere Einladung wegen Corona abgelehnt. Die Jugendlichen sind trotzdem gekommen, denn einige sind mit unseren Kindern befreundet.
Dies mögen ein paar Beispiele dafür sein, dass mein Ehemann und ich zu dem Entschluss kamen, das Testzentrum einzurichten. Viel Arbeit kam auf uns zu: Die kleine Boutique musste ausgeräumt werden, und der Dachboden wurde voll. Für die völlig andersartige Einrichtung mussten Testkabinen, spezielle Abfalleimer, spezielle Seifen, Desinfektionsmittel und Desinfektionsspender u. ä. – alles WHO-zugelassen – von uns gekauft werden. Dafür gibt es keine Fördermittel.
Um eine Teststelle betreiben zu können, benötigten wir die entsprechende medizinische Qualifikation. Diese kann man beim DRK, bei den Johannitern oder in Arztpraxen erlangen. Wir haben das gemeinsam mit Familienangehörigen aus Berlin, Eltern und Schwiegereltern, wegen gegenseitiger Ersetzbarkeit und Aushilfe in einer Arztpraxis gemacht. Dabei wird die Virusübertragung erklärt, die Körperbereiche für eine Virus-Infektion und die verschiedenen Techniken des Testens. Der Patient sollte vorher über Nasen- und Rachentests aufgeklärt werden. Wir führen zur Zeit Antigen-Schnelltests, aber keine Spuck- und keine PCR-Tests durch.
Danach muss die amtliche Genehmigung in drei Schritten eingeholt werden. 1. Ein Hygieneplan ist beim Gesundheitsamt einzureichen. 2. Die steuerliche Anmeldung beim Finanzamt und 3. Die Anmeldung beim Gewerbeamt.
Alle drei Genehmigungen sind sehr schnell, innerhalb von 24 Stunden, erfolgt.
Wir haben darauf hin die Lychener Bürgermeisterin, Frau Gundlach, informiert, die uns ihre Unterstützung bei auftretenden Schwierigkeiten zusicherte.
Kurz vor Silvester und Neujahr hatten wir sehr viele Anmeldungen zum Testen. Für den 30. 12. waren es über 50, für den 31. 12. sogar 100. Die Leute wollten zum Jahreswechsel ihre Verwandten besuchen und gemeinsam feiern oder verreisen. Wegen des sehr hohen Bedarfs war unsere ganze Familie aus Berlin angereist, um zu helfen.
Am 30. 12. erhielten wir völlig unerwartet die Aufforderung vom Gesundheitsamt, die Teststelle zu schließen. Das Kreisamt hatte diese Anweisung vom Ministerium für Gesundheit auf Grund einer privaten Beschwerde aus unserer Nachbarschaft erhalten.
Die Schließung hatte eine chaotische Situation zur Folge. Die angemeldeten Testpersonen
standen in Schlangen vor unserem Haus und brachten ihr Unverständnis zum Ausdruck.
Wir haben dann die Test-Sets an die Wartenden verteilt.
Die Stadtverwaltung Lychen versuchte die zuständigen Ämter zu erreichen, um eine Klärung herbeizuführen. Auch die Bürgermeisterin war trotz der Feiertage jederzeit telefonisch ansprechbar Erst am 3. Januar 2022 kam die Genehmigung zur Wiedereröffnung. Nach dem Neujahrstag kamen die Leute zu uns wegen der Abrechnung für die Tests. Viele bedankten sich noch einmal für unser Engagement und brachten uns kleine Geschenke mit.
Die Bürgertestung wird von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVB) bezahlt.
Wir haben die Zahlungen für Dezember 2021 und Januar 2022 bisher noch nicht erhalten.
Weil wir in der Woche von Montag bis Freitag täglich durchgehend 10 Stunden und Sonnabend und Sonntag jeweils 6 Stunden geöffnet haben, schaffen wir die Arbeit allein nicht. Deshalb wollten wir zum Zeitpunkt der Beantragung der Zulassung beim Gesundheitsamt auch gleich Pflegekräfte in Teilzeit für die Mithilfe einstellen. Leider untersagten die Arbeitgeber ihnen diese Tätigkeit. Zur Zeit haben wir zwei Mitarbeiterinnen im Testzentrum. Die Testmittel kaufen wir von einem Lieferanten aus Berlin. Sie sind vom Ministerium für Gesundheit genehmigt.
Ich wollte wissen, welche Leute zum Testen kommen. Natalie meinte, Motive gäbe es viele: Arbeitnehmer müssen negative Tests im Betrieb vorlegen, ebenso Besucher bei Pflegepatienten, Touristen, wenn sie reisen und in Hotels übernachten wollen, Schüler für öffentliche Verkehrsmittel und Freizeittreffs, Oma-Besucher, Rentner bei Krankheitssymptomen, für Physiotherapien und Arztbesuche und Beerdigungen.
Auf meine Frage, wie sie sich so als Neulychenerin in unserer Stadt fühlt, antwortet Natalie ohne lange zu zögern: „Wir haben täglich viele Kontakte mit Lychenern. Ich lerne freundliche, nette Menschen kennen und spüre, dass unsere Arbeit anerkannt wird. Ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen, um meine Kinder großzuziehen. Ich bin dankbar für die Herzlichkeit meiner Familie und mir gegenüber.“
In bester Nachbarschaft, so hebt Natalie ausdrücklich hervor, leben sie und ihre Familie mit Frau Dr. Schumacher. Aus der Praxis werden oft Patienten zum Testen zu ihr geschickt. Ebenso gut ist auch die Zusammenarbeit mit Frau Dr. Schößler, mit Gastronomen und Hoteliers. „Wir hoffen auf baldige Normalität ohne Masken und Tests. Wir wünschen, dass das Leben wieder so wird, wie es früher war. Solange das nicht der Fall ist, unterstützen wir mit unseren Tests die mentale Gesundheit der Menschen. Testen ist dazu der beste Weg. Er sollte jedem möglich sein und bleiben. Wir möchten aber bald zu unseren Jobs und zu unseren Projekten zurückkehren. Wir haben viele Projekte auf später verschoben. Wir sind Unternehmer und nicht Tester. Wir testen aber gerne solange es die Situation erfordert.“
Natalie lebt seit 1999 in Deutschland. In Lychen lebt sie mit ihrer Familie seit 2019.