Eine kleine Online-Stadtführung durch Lychen vor 1945, Teil IV
Vor dem Stargarder Tor können wir uns auf der Pflasterstraße versammeln, denn der Verkehr ist gering und ungefährlich. Das Stargarder Tor ist eines der zuerst zwei, später drei Lychener Stadttore. Aus Feldsteinen war sicherlich auch das Fürstenberger Tor gebaut. Das Templiner Tor wurde erst um 1400 aus Backsteinen errichtet, als mit dem Bau der Floßarche die Straßenverbindung nach Templin möglich war. Es gab noch eine Waschpforte in der Stadtmauer am Stadtsee.
In der Zeit von 1302 bis 1350 wurde die Stadtmauer aus Feldsteinen von den Lychener Ackerbürgern errichtet. Sie war 6 Meter hoch. Auf den Landstellen westlich vom Stargarder Tor bis zum Stadtsee wurde davor außen ein Stadtgraben gezogen, 6 Meter breit und ca. 2 Meter tief, davor ein Wall aufgeschüttet. Der Stadtgraben wurde um 1780 zugeschüttet.
Vor dem Stargarder Tor lag das Scheunenviertel mit Speichern der Ackerbürger und Bauern.
Das Stargarder Tor mit seinem Storchennest obendrauf war das Wahrzeichen von Lychen bis zu seinem Zusammenfall im Herbst 1976.
Der Sage nach soll der Raubritter Hans von Quitzow, von Herzog Ulrich gefangen genommen, 1408 im Stargarder Tor eingesperrt worden sein. Abgemagert und schlank zwängte er sich durch eine Schießscharte, sprang auf einen Heuwagen und entfloh. Was allerdings der Wahrheit näher kam: Er war im Lychener Schloss gefangen und wurde zwei Monate später gegen Johann von Stargard, der bei den Quitzows einsaß, ausgetauscht.
Stadteinwärts, auf der linken Straßenseite befand sich das Geschäft von Schumacher Carl Otto, dann die Gaststätte „Felsenkeller“. Nach Berichten der Historienstammtischteilnehmer soll sie das Milieu einer Kneipe gehabt haben. Der Mittagstisch befand sich hinten in Richtung Judenfriedhof. Zeitzeugen des Historienstammtischs allerdings meinten, es hätte dort keinen Mittagstisch gegeben.
Ein Stückchen weiter war der Herren-Friseur Voge. Auf dieser Straßenseite stand auch das Haus mit Werkstatt von Malermeister Lüder.
Dann Wohnhäuser und vor dem Mühlenbach der Konfektionsladen Albert Jahnke mit Inhaber Hans Jahnke.
Auf der rechten Straßenseite hinter dem Tor lag hinter einem Haus eine Vulkanisierwerkstatt. Ob es damals bereits die „Gaststätte zum Tor“ gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Nach dem Krieg befand sich in einem Geschäft die Stadtbibliothek. Auf dieser Seite hatte Malermeister Schley sein Wohnhaus mit Werkstatt. An der Ecke zur Darrstraße stand eine Wasserpumpe. Von diesen Wasserpumpen gab es in Lychen 12 an der Zahl.
Wir bleiben auf der rechten Straßenseite überqueren die Darrstraße und kaufen für uns Brot und Brötchen bei Bäcker Schönfeld an der Ecke.
Im Büttnerschem Haus vor der Stadtmühle gehen wir durch die Gaststätte nach oben in die erste Etage, schauen uns den großen Saal an und bewundern die schöne Wand- und Deckenbemalung.
Die Lychener Stadtmühle verdient eigentlich eine besondere Führung wegen ihrer eigenen Geschichte.
In Lychener Chroniken werden zwei Stadtmühlen erwähnt, eine außerhalb der Stadtmauer an einem Verbindungsgraben vom Oberpfuhl zum Nesselpfuhl. Über die Mühle in der Stadt gibt es aus der Anfangszeit so gut wie keine Nachweise. Sie wird wahrscheinlich im 14. Jahrhundert als Wassermühle im Fachwerkbau errichtet worden sein. Bis zur Reformation und der Säkularisierung der Klöster im 16. Jahrhundert waren die Lychener Stadtmühlen im Besitz des Klosters Himmelpfort. 1808 brennt die Mühle in der Stadt bis auf die Grundmauern nieder und wird wenig später mit roten Ziegeln wieder aufgebaut.
Am langen Straßenhang bis zum Marktplatz gibt es beiderseits einer Reihe von Geschäften. Bleiben wir auf der Mühlenseite so folgt nach einem kleinen Wohnhaus hinter dem Mühlenbau das größere Geschäfts- und Wohnhaus der Familie Gotthardt Collin mit einem Lebensmittelladen, einer Gaststätte und dem Friseurladen Nikodem. Ein Stückchen weiter oben die Korbmacherei Richter und an der Ecke zum Markt die Seitenfassade des Hotels „Zu den Drei Kronen“.
Am Markt überqueren wir die Stargarder Straße zur gegenüber liegender Straßenseite. Hinter dem Eckhaus mit Uhrmacher Matil lag die Gasstätte „Zum Schwan“. Hier hören wir wieder zu, was uns die Lychener Stammtisch-Teilnehmer zu erzählen haben:
„Dort saßen die Arbeiter, Kutscher und Lehrjungen. Inhaber war Fritz Mohr. Seine Frau ging immer dunkel, meistens schwarz, gekleidet. Frau Mohr war eine gute Seele. Zum Mittagessen gab es Hausmannskost, z. B. Erbsensuppe. Sie hat oft gefragt: Na, min Jung, willst noch wat? Und es gab Nachschlag. Als ihr einmal der Gummi gerissen war, jammerte sie: Fritz, häst nich `ne Versichrungsnadel? Die Lychener nannten die Gaststätte spaßeshalber „Blaue Pflaume“, worüber sich Frau Mohr sehr gegrämt haben soll. In der Gaststube hing folgender weiser Spruch an der Wand:
„Äät di satt un fräät di dick und holl dat Muhl von Politik“.
Im Raum stand ein elektrisches Klavier. Die Bauern aus den Dörfern kehrten dort ein. Das Haus hatte einen Torweg, und auf dem Hof standen Ställe mit Befestigungsringen für Pferde. Solche Ringe gab es auch auf der Straße. Auf dem Lychener Pferdemarkt wurde gekauft und getauscht.“
Hinter Mohrs Gaststätte folgten einige Geschäfte, wie Wirtschaftswaren Max Collin, Hypervereinsbank Collin, Schuhgeschäft Olm und vor dem Mühlengraben Schmied Mante, Wohnhaus mit Schmiedewerkstatt auf dem Hof der Familie Mante.
Für heute reicht es. Wer möchte, kann uns beim nächsten Mal begleiten zur Tornow-Straße.