Der falsche Pfifferling
Im Wald Pilze zu suchen, ist oftmals Glücksache. Es ist so, wie im Leben. Bin ich ahnungslos und unerfahren, schwärmerisch und leicht zu verführen, lasse ich mich von Schönheit blenden, male mir sogleich die angenehmsten Dinge aus und erlebe allerdings bisweilen eine Enttäuschung. Beim falschen Pfifferling ist es wohl nicht so dramatisch. Hinter seiner Schönheit verbirgt sich nichts Arglistiges oder gar Böses. Du kannst ihn genießen, aber er schmeckt nicht so gut, wie er schön aussieht. Er ist schön, aber schmeckt nach nichts. Wie das manchmal vorkommen sollte. Der Freund des ähnlichen echten Pfifferlings wird durch seine Falschheit enttäuscht. Und dann könnte es ihm so ergangen sein:
Der falsche Pfifferling
Du stehst so fein im Sonnenlicht,
gesellt zu Deinesgleichen.
An Farbenpracht fehlt es Dir nicht.
Scheint mir ein gutes Zeichen.
Ich schau' Dich an und zweifle noch.
Ob ich Dich wirklich mag?
Bist frisch und hübsch. Ich nehm' Dich doch!
Hab' Glück an diesem Tag.
Mit Freude lade ich Dich ein:
Komm' mit zu mir nach Hause!
Zum Abendbrot bei Kerzenschein,
mit kühlem Wein statt Brause.
Erregt von aller Fantasie
denk' ich an Köstlichkeiten.
Ich werd' genießen, wie noch nie
und ahne schönste Zeiten.
Ich werde mich nur leicht beschürzen,
Dich sauber putzen und auch waschen,
Dich ölen und mit Liebe würzen
und voller Lust vernaschen.
Nach langem Marsch zu zweit daheim,
schau' ich in den Korb hinein.
Die Schönheit hat sich rot verfärbt.
Sieht dürre aus und wie gegerbt.
Ich halt's ans Licht, das trockne Ding:
Du bist ein falscher Pfifferling!
Und die Moral von der Geschicht'?
Schönheit trügt. Drum trau' ihr nicht.