Ausgewilderte Kulturträuschlinge
Ich war neugierig, setzte mich aufs Fahrrad und fuhr zu derselben Stelle, wo ich im vergangenen Frühjahr den ausgewilderten Kulturträuschling entdeckt hatte. Er wuchs auf einer mit Holzspänen abgedeckten Fläche, die bereits mit hohem Gras bewachsen war. In diesem Jahr hatte wieder Glück. In Gruppen hatte er sich ausgebreitet, als würde er auf mich warten. Allerdings waren die Hüte schon aufgegangen. Deshalb sammelte ich nur die jungen Exemplare in den Korb. Eine junge Rotkappe liegt in der Mitte. Sie hat sich wohl etwas in der Jahreszeit geirrt. Zum Schluss schaute ich mir meine Hände an. Na, so was! In fast schwarzem Tintenlila hatten sie sich verfärbt. Ich nahm einen Büschel Gras und versuchte, sie zu säubern. Die Naturfarbe ging kaum ab. Ich ahnte, dass ich mein tintenlila Wunder erleben werde, wenn ich das Pilzgericht zubereite. Also war ich gespannt, wie das Experiment ausgehen würde.
Zu Hause angekommen, reinigte ich die Sammlung und stellte fest, dass die Blätter unterhalb der Hüte prall gefüllt waren mit schwarzlila Pilzsporen. Da war mir klar: Mehrmals waschen und spülen! Zweimal war das Wasser schwarz. Die Pilzlamellen wurden hellgrau und sahen appetitlicher aus. Also bereitete ich meine Pilzpfanne mit Zwiebeln, Salz und Pfeffer zu und rührte noch ein frisches Ei darunter. Dazu gab es frische Pellkartoffeln. Wieder hat es vortrefflich geschmeckt. Der Kulturträuschling hat einen leichten Pilzgeschmack und ist gut bekömmlich. Zu DDR-Zeiten wurde er von Liebhabern in Gärten angebaut. Mein Verwilderter scheint die Wende gut überstanden zu haben.