Die Himmelpforter Strohbrücke
Zur Blütezeit des Zisterzienserklosters Himmelpfort - so im ausgehenden 14. Jahrhundert - lebten die Mönche höheren Ranges nicht schlecht. So manche Festgelage ließen sie sich wohl ergehen. Mit dem asketischen Klosterleben nahm es – zumindest die Obrigkeit – nicht mehr so genau. Die einfachen, bescheidenen Brüder hatten tagsüber zu arbeiten. Ausgedehnte Felder und Wälder gehörten zum Kloster, die sie im Schweiße ihres Angesichts bewirtschaften mussten.
So war eines Tages die Zeit der Kornernte herangekommen. Die Mönche schnitten die Halme und banden sie zu Garben, die sie zum Trocknen auf den Feldern aufstellten. Als nach einigen Tagen die Garben zum Dreschen eingebracht werden mussten, luden sie diese nicht nur auf Pferdewagen oder Ochsenkarren, sondern sie nahmen auch jeweils eine Garbe auf die Schultern und schleppten sie den langen Weg über eine kleine Holzbrücke, die über ein Fließ führte, das zwei Seen miteinander verband, in den Klosterhof. Draußen, auf den Feldern und im angrenzenden Dörfchen kamen sie mit den Schönheiten und Verlockungen des weltlichen Lebens in Berührung. Und so mancher junge Mönch, der in vollem Blut stand, hatte es schwer, den hübschen jungen Bauernmädchen zu widerstehen. So verliebte sich auch ein Mönch unsterblich in eine liebliche Maid, und immer – wenn sie sich unbeobachtet fühlten – trafen sie sich heimlich hinter den Garben.
Da fasste sich der junge Liebhaber eines Tages ein Herz und wickelte die Liebste in ein großes Strohbündel ein, denn er wollte sie heimlich mit in seine Kammer nehmen. Schwer hatte er zu schleppen, und die anderen, die ihn sich abplacken sahen, schauten immer wieder hinter ihm her und liefen ihm auf dem Nachhauseweg hinterher.
Als der verliebte Lastenträger über die Brücke kam, rutschte das Mädchen in dem Strohbündel etwas nach hinten, und die nackten Füße schauten heraus. Das sah ein anderer Klosterbruder, und pflichtgemäß meldete er die Sünde dem Abt.
Welche Strafe dem armen jungen Burschen nun zuteil wurde, wissen wir nicht genau. Es kann sein, dass er zur Waldrodearbeit auf Fegefeuer verurteilt wurde, denn das Kloster unterhielt eine Strafkolonie am Küstriner Bach weiter östlich von Lychen. Und so wurde in späterer Zeit der Spruch geprägt: „Lychen ist ein schöner Ort, liegt zwischen Fegefeuer und Himmelpfort“.
Die kleine Brücke am Ortseingang von Himmelpfort, die heute nicht mehr aus Holz sondern aus Beton gebaut ist, heißt von jener Zeit an und bis auf den heutigen Tag „Strohbrücke“.