Ein Studentenspaß
Während meiner Studentenzeit in den 1970er Jahren an der Universität Rostock wohnten wir in alten, einstöckigen Baracken, die noch aus der Vorkriegszeit stammten. In den 4- und 2-Mann-Zimmern stand jeweils ein kleiner, transportabler Kachelofen, den wir im Winter jeden Morgen mit etwas Kienspan und Braunkohlebriketts heizen mussten. Im Sommer hatten wir dieses Problem nicht. In der oberen Etage ließen wir die Fenster offen, damit die Sonnenwärme ins Gemach ziehen konnte. Ich wohnte zusammen mit einem Germanisten, einem Slawisten und meinem Studienfreund der Lateinamerikanistik oben in einem 4-Bett-Zimmer. Tagsüber hatten wir unsere Studienaufgaben in den Instituten und Hörsälen zu erfüllen. Aber abends saßen wir gemeinsam beim Abendbrot zusammen. Jeder aß nach seinem Geschmack. Gab es mal Tee als Getränk, brühten wir uns eine große Kanne voll für alle. Zur Abendbrotzeit war natürlich jeder neugierig, wie die anderen den Tag erlebt hatten. Und jedes Mal gab es genügend Stoff zum heftigen Diskutieren. Nicht selten gerieten wir in Streit, denn ein Wort ergab das andere. Unser Ältester, der Germanist, später ein Romanautor der DDR-Literatur, stand meistens über den Dingen, und nicht selten machte er frozzelnde Bemerkungen über uns und unsere Studienrichtungen.
So saßen wir eines Frühsommerabends wieder zusammen, schenkten uns den grusinischen Tee ein, und jeder packte sein Essen aus. Da meinte der Literat plötzlich, Südamerika läge weit weg. Da kämen wir nie hin, und unser Studium wäre eine brotlose Kunst, reine Romantik! Mein Studienfreund schaute ihn verärgert an, sagte aber nichts. Ich dagegen nahm blitzschnell meinen Füllfederhalter und tauchte diesen in den Tee des Germanen. Erbost warf er ihn zum offenen Fenster hinaus. „Wie kannst Du meinen Füllfederhalter aus dem Fenster schmeißen,“ blaffte ich ihn zwar lachend aber etwas wütend an. Gleich nahm ich seine Brotbüchse und warf sie hinterher. Daraufhin vergriff sich der Gute und schleuderte die Essbestecktasche des Slawisten in hohem Bogen hinaus. Der wiederum fand nicht sofort das Passende auf dem Tisch. Deshalb brachte er den Kochtopf des Germanisten auf dem Luftweg ins Freie. Jetzt saßen wir schon alle vier nicht mehr sondern hatten uns zu Schlacht erhoben. Voller Lust und Freude flogen wahllos Bratpfannen, Taschen, Schuhe u. a. durch das Freie auf den kümmerlichen Rasen vor dem Haus.
Da ertönte von unten eine Stimme: „Hey! Seid Ihr da oben bekloppt?“ Wir schauten lachend aus dem Fenster hinaus. Ohoh! Unsere Utensilien lagen verstreut auf dem Boden, und die Pfanne steckte mit dem Stiel in der Erde. Was blieb uns weiter übrig? Ernüchterung trat ein, wir liefen nach unten und sammelten unter dem Gelächter anderer Studenten alles wieder ein und schleppten es nach oben in unsere Stube.
Erst dann nahmen wir gesittet unser Abendbrot ein und freuten uns mächtig über unseren eigenen Unsinn.