Harmloser Spuk am "Totschlag"
Der "Totschlag" ist ein Hügel an der Straße nach Fürstenberg in der Nähe des Kastavensees. In früheren Zeiten ist dort auf mysteriöse Weise ein Reisender umgekommen. Seit jener Zeit spukt diese Geschichte in den Köpfen der alten Lychener. Und so hütete sich früher jeder, bei Dämmerung oder im Morgengrauen an diesem schaurigen Ort vorbeizukommen. In der Vorkriegszeit ereignete sich folgende Episode:
Hermann Zabel wohnte früher in der heutigen Berliner Straße Nr. 24. Während Zabel vor dem Krieg im Siemens'schen Kabelwerk Berlin arbeitete, fuhr er regelmäßig zum Wochenende nach Lychen. Häufig reiste er erst mit dem Frühzug am Montag von Fürstenberg nach Berlin zurück. Da von Lychen frühmorgens keine Bahnverbindung zu diesem Zug bestand, musste Zabel also die 12 Kilometer laufen. In aller Herrgottsfrühe machte er sich auf den Weg. Als er sich dem Kastavensee näherte, zog ein dichter Nebel auf. Die Schwaden zogen durch die dichten Wachholderbüsche und zauberten allerlei sonderbare Gestalten hervor. Vom Zauber des Seltsamen und Geheimnisvollen gefangen, wanderte Zabel wie im Märchenwald weiter. Da tauchten plötzlich Schatten vor ihm auf. Leise Stimmen ertönten. Schritte waren zu hören, die langsam näher kamen. Noch war nichts Genaues zu erkennen, dann aber - er glaubte seinen Augen kaum - träumte oder wachte er? - tauchte vor ihm ein richtiger Räuber auf mit einem federgeschmückten Hut, großen Stulpenstiefeln, einem gewaltigen Säbel und einer Pistole an der Seite. Und wen führte er mit sich? Wahrhaftig eine Prinzessin, eine richtige Prinzessin mit Krone und Schleier!
Zabel rieb sich die Augen. Es stimmte, es waren keine Spukgestalten, sondern Menschen von Fleisch und Blut. Entschlossen ging er auf die Gruppe zu, bot ihnen einen "Guten Morgen" und fragte nach dem Wohin und Woher. Mürrisch antwortete der Räuber: "Ach, alles wegen der Weiber! Wir waren zu einem Maskenball in Fürstenberg. Ich wollte mit dem letzten Zug zurückfahren, aber die Weiber wollten noch weitermachen. So müssen wir nun nach Hause laufen!"
So verscheuchten die groben Worte des Räubers jäh die romantische Stimmung der "mondbeglänzten Zaubernacht".