Keiner sitzt im Einer
Am vergangenen heißen Wochenende beschlossen wir, meine Freundin Jutta, ihr Sohn, der Stahlkünstler Uwe und ich, in See zu stechen. Jutta hatte sich eine Bootsfahrt über den Großen Lychensee gewünscht. Uwe wollte uns mit seinem Einer-Paddelboot escortieren.
Am Sonntag um 10.00 Uhr stieg Jutta bei mir in das stabile, unverwüstliche Metallboot. Uwe wollte vom Wurlsee kommend über den Nesselpfuhl und durch Köppens Bach auf dem Stadtsee zu uns stoßen.
Als Jutta und ich nach einigen Kletter- und Sitzmanövern sicher im Boot saßen und starten wollten, war Uwe schon bei uns.
Mit guter Laune ging die Fahrt los. Zuerst legte ich mich in die Riemen. Jutta, als Steuerfrau, gab mir Kurs und Fahrtrichtung an. Yachten, Motorboote und Kanus belebten bereits den See und glitten an uns vorbei. Uwe, im Einer, paddelte zügig voraus. Bald waren wir unter dem Hohensteg und der Eisenbahnbrücke hindurch und kamen auf den von Wellen bewegten Großen Lychensee. Selbst auf dem Wasser war es sehr warm, denn es regte sich kaum ein Lüftchen.
Kurz vor der Kanincheninsel machten Jutta und ich einen Riemenwechsel. Sie kletterte auf meine Bank, und ich setzte mich ins Heck. Nun legte sich die Dame ins Zeug. Aber rein sportlich und nicht zu schnell. Uwe hielt sich mal näher an uns , mal war er weiter entfernt. Kam er näher, gab er spaßige Bemerkungen von sich, die wir kräftig konterten.
So umpaddelten und umruderten wir die Kanincheninsel und lenkten den Kurs zum Ufer in die Nähe des Strandbades. Dort, unter großen Bäumen versteckt, neben der alten Villa Jonas, hat sich Uwes Freund, unser Lychener Kettensägenschnitzer, ein gewaltiges Blockhaus aus starken Holzstämmen gebaut. Wir wollten die Familie besuchen. Es war aber keiner da. Also wieder zurück zum Anlegesteg. Jutta nahm ein erfrischendes Bad.
Nun paddelte eine junge Frau auf uns zu und erkundigte sich nach einem Biwakplatz an den buchtenreichen Ufern unseres größten Sees um Lychen. Wir berieten uns und rätselten herum. Uwe und ich, wir kannten nur einen Platz: die Ablage kurz vor der Woblitz, wo der ruhelose junge Förster um Mitternacht klagend auf und an geht. Ich meinte aber: "Wer weiß, wie das da aussieht. Früher standen dort Bänke, und man konnte gut anlegen. Mir scheint aber, niemand kümmert sich darum. Es wird dort ziemlich zugewachsen sein."
Uwe erinnerte sich an den Steindamm neben dem früheren Tonkünstlerheim. "Kannste voll vergessen", sagte ich, "Dort ist alles zugewachsen, und oben am Weg wurde ein Zaun gezogen. Wie fast überall heute Privatgelände."
Die junge Frau guckte traurig, weil sie irgendwo ungestört in freier Natur frühstücken wollte. "Ach,"fiel mir da ein, "legen sie doch geradezu dorthinten an der Spitze des Buchenwinkels an. Den Platz habe ich vor kurzem erst besucht. Da ist zwar keine Wiese aber eine freie Fläche unter Buchen."
Zur Kanincheninsel, die - wer weiß warum - immer noch öffentlich ist, wollte sie nicht, weil dort schon viele Leute wären. Also lenkte sie ihr Paddelboot zum Buchenwinkel. Später sahen wir von weitem, dass sie dort nicht angelegt hatte.
Mittlerweile rückte die Mittagzeit heran. Ich fragte den Stahlkünstler, ob es ihm gelüste, eine Gemüsepfanne bei mir zu Hause gemeinsam mit seiner Frau Mama zu speisen. "Nein", rief er aus, "ich stehe auf Diät! Ich paddele gleich wieder nach Hause, weil ich noch jede Menge Apfelsaft pressen will." Sagt er so etwas, braucht man nicht noch einmal nachzufragen. So trennten sich also unsere Wege an der Hohestegbrücke.
Ich ruderte meine Jutta wieder in den Stadtsee ein. Lange dauerte es nicht, da zeigte ich nach hinten: "Dreh' Dich mal um! Ist das nicht Uwe, der da ankommt in seinem Einer?" Jutta meint: "Kann sein. Aber es gibt ja wohl mehrere solcher Boote. Wenn er es ist, kommt er wegen des Schlüssels, denn er hat keinen und kann nicht rein ins Grundstück."
Na, diesmal gab es das Boot nur einmal auf dem Stadtsee. Und das war unser Uwe! Schnell war er bei uns. "Wir haben nichts zu verkaufen und kaufen auch nichts", rief ich ihm zu. "Wir sind auch kein Schlüsseldienst!"
Uwe stand schon mit dem Einer neben uns, spektakelte, bedauerte, gestikulierte und - bumms, schwapp - kippte er mit dem Einer um.
Wir zwei, Jutta und ich, saßen im Trockenen, Uwe aber schwamm im kühlen Nass. Vergeblich versuchte er, wieder in den Einer zu klettern. Der Nachen kippte nochmals um und war schließlich voller Wasser. Weil aus Plaste - vielleicht noch von Plaste, Elaste aus Zschkopau - könnte er sinken. Uwe zog deshalb seinen Einer - in dem saß jetzt keiner - langsam bis ans Land und konnte so das Lychener Küstenpanorama aus der Entenperspektive genießen.
Am Ufer kippte er das Boot um, stach erneut in See und stieg mit uns mit nassem T-Shirt an Land. "Jetzt lohnt es sich sowieso nicht mehr mit dem Apfelsaft pressen. Die Zeit ist dahin gelaufen. Lass' mich mal die Gemüsepfanne kosten."
So saßen wir wieder glücklich vereint beim Mittagstisch zusammen. Dazu gab es noch die restlichen Bratwürste vom vorabendlichen Grillen.
Jutta war glücklich, dass sie die Seefahrt ohne Seenot überstanden hatte. "Mit mir fährst du immer sicher über unsere Gewässer", versicherte ich ihr. "Sieh' mal, es haben sich schon andere liebe Freunde auf unseren Seen wohl und sicher gefühlt, wie z. B. meine liebe Xammi, die - von weither angereist, hier vor nicht allzu langer Zeit bei einem Besuch vier unserer sieben Seen für sich erobert hat.
Es lohnt sich und ist spannend, einmal in ihre virtuelle Welt zu schauen. Gucke mal:link