Kleine Geschichte über meinen Feldrittersporn
Feldrittersporn (Consolida regalis Gray).
Als meine Mutter in den 1970er Jahren noch Hühner hielt, hatten die fleißigen Hennen ihren Stall am Rande des Hofes. Gleich am Ausgang ihrer Schlafstatt, in der sie auf Stangen gestaffelt saßen, ganz oben der Hahn mit seinen Lieblingshennen, lag der Futterplatz mit Schalen für die Körner und dem Wassernapf. Die Fläche war nicht groß, denn am Rande hielt ihn eine Feldsteinmauer, ca 1 Meter hoch, vor dem langen, eingezäunten Auslauf im Gartengelände.
Die Hühner hüpften auf einer Holzleiter nach untem, um im Sand zu scharren oder das Gefieder zu baden. Mutter warf, wenn sie fütterte, jedesmal eine Handvoll Getreidekörner in das Gehege. So konnten sie emsig weiterpicken und hatten keine lange Weile.
Wenn ich an Wochenenden aus Berlin nach Hause kam, wusste ich schon, was mir blühte. "Sei doch so gut und miste wieder den Hühnerstall aus," bat mich meine Mutter. "Damit habe ich gerechnet," erwiderte ich und rümpfte die Nase. In den engen Stall zu kriechen und mit der breiten Hacke bis nach hinten zu kommen, um das aufgetürmte Hühnerschäft auszuräumen, war nicht so sehr das Problem. Aber der Geruch. Ich erlaube mir, hier zu sagen, der Gestank - der war fürchterlich. Mehrmals kroch ich zurück, um frische Luft zu schnappen. Als Belohnung fand ich manchmal ein verlorenes Ei. War das erst einmal geschafft, so war der Rest ein Kinderspiel.
Ich harkte restliches Stroh und anderes Überbleibsel zum Misthaufen, lud alles in die Karre, um es zum Komposthaufen zu fahren. Dann säuberte ich die Fressnäpfe, füllte frisches Wasser ein und sprang eine Etage tiefer hinab in den Auslauf. Auch hier hatte ich auszuharken. Dort lagen die Reste von Kohlblättern und abgefressenen Unkrautstengeln. Das war einfach, weil am Ende des Auslaufs eine Tür in den Garten führte. Dort häufte ich die Reste an und brachte sie ebenfalls auf den Kompost.
Eines Tages, im späten Frühjahr, stoppte ich die Harke "Halt! Was ist denn das?" Ein kleines grünes Pflänzchen mit typischen Hahnenfußblättern stand im Sand. "Das ist Feldrittersporn," freute ich mich. Ich nahm es heraus und setzte es ins Freie an einen sonnigen Platz im Steingarten. Der Feldrittersporn wuchs an, obwohl das nicht ganz sicher war, denn er hat eine Pfahlwurzel.
Den ganzen Sommer über blühte er in strahlendem Blau inmitten feiner, dillähnlicher Blätter. Er setzte kleine Schoten an, die im Herbst aufplatzten und schwarze Samen verstreuten.
Im folgenden Frühjahr keimten die Feldrittersporne im Steingarten und dem darunter liegendem Beet. Ich behütete sie und behielt sie beim Jäten sorgfältig im Auge.
Und so wiederholte sich das Keimen, Wachsen, Blühen und Aussamen Jahr für Jahr bis auf den heutigen Tag. Die Nachkommen aus Mutters Hühnerzwinger erfreuen mich wieder in strahlendem Blau.