Lychen hatte eine Rodelbahn
Auf der Rodelbahn in der Buchheide. Ca. 1938. Archivfoto.
"Infolge seiner natürlichen Lage inmitten der großen Seen eignet sich Lychen auch vorzüglich als Wintersportplatz. Die 1924 in der Buchheide angelegte Rodelbahn führt in drei Kurven an den Abhängen hinunter zum Krambeerbruch."
So warb der Lychener Heimatforscher und Dichter Gustav Metscher für den Wintersport. Und es dauert nicht mehr lange, dann ist es wieder so weit. Also, auf in die Buchheide und zum Krambeerbruch nach Hohenlychen!
Nach längerem Suchen entdeckte ich sie schließlich unweit der Straße nach Templin auf der rechten Seite gegenüber dem kleinen Parkplatz hinter dem Ortsausgang.
Der zwei Meter hohe und fünf Meter lange Abfahrtshügel hat dem Zahn der Zeit getrotzt. Die Vorderseite gut abgeplattet, wurde von dort oben Schwung geholt, und schnell ging es in die erste Linkskurve abwärts. 300 bis 350 Meter langes Rodelvergnügen lief lanksam links aus am Anfang des Krambeerbruchs. Gutes Lenken war auf alle Fälle vonnöten. Ca. drei Meter breit war die Bahn, rechtsseitig durch einen hohen Wall gesichert, damit die Schlitten und Bobs nicht heraussprangen.
Else Kuschow bestätigte das und wusste noch mehr: "Bürgermeister Bachhuber hat die Rodelbahn feierlich eingeweiht. Dazu spielte die Stadtkapelle unter Leitung von Kapellmeister Franz Müller."
Die Stadt hatte die Bahn für ihre Jugend und für Touristen angelegt. Auch für Ordnung wurde gesorgt. Christe Bock wurde da sehr konkret: "Wir durften niemals auf der Piste sondern nur rechts neben ihr wieder nach oben gehen. Also, wenn wir da zehnmal runtergesaust und mühsam wieder hochgestiegen sind, reichte es für diesen Tag. Und wichtig war auch: Auf den Abfahrtshügel ging man von hinten hoch, niemals von vorn. Immer haben welche aufgepasst, und wenn es die Ältesten waren." Herr Stimm am Weinbergsweg hatte den Geschwistern einen Bob mit Lenkrad geschenkt. Vier Mann fanden auf dem Bob Platz.
Die Schule führte dort Sportunterricht durch. Oftmals trafen sich die Schüler mit ihrem Lehrer erst am Nachmittag. "Mit uns kam unsere Klassenlehrerin Frau Feiler mit," erinnerte sich Christa Bock.
Ob dort auch Wettkämpfe stattgefunden haben? Daran kann sich niemand erinnern. Die Rodelbahn war eben eine tolle, beliebte Volkssportanlage. Noch 1948 legten sich die Lychener Jugendlichen kräftig in die Kurven. "Aus Angst vor den Russen," so meinten einige, "traute sich später niemand mehr dorthin."
In der Zeitschrift "Sportkameradschaft Hohenlychen", Heft 6. Weihnachten 1938, heißt es in dem Artikel "Hohenlychener Wintersport": "Der sportliche Leiter hat denn wohl auch dafür gesorgt, daß bei genügender Schneehöhe eine Anzahl von Rodel- und Lenkschlitten aus dem Schuppen gezogen wurden, um in langer Reihe hinter dem Pony her durch den Winterwald zu gleiten oder jenseits der neuen Templiner Landstraße auf der Hohenlychener Bobbahn Schlitten für Schlitten zu Tale zu sausen."
Als Fachmann für Eissport berichtete Hubert Reddersen in der Zeitschrift: "Im Eisschießen werden Rekorde aufgestellt, wer von Lychen bis zum Waldfrieden die wenigsten Würfe benötigte. Meisterschaften werden ausgetragen und manche Tafel Schokolade und manche 'Halbe' ging dabei verloren. - Wohl selten wurde über so viele urkomische Szenen gelacht, wie beim Eishockey." Und weiter: "Alle Eisschießer traten an und daneben auch einige Kunstläufer, die elegant ihre mißglückten Kurven zogen."
"Erika Krasemann," so wusste heute noch Erika Bondzio, "drehte im blauen Kleidchen mit Pelzbesatz und Pelzmütze zusammen mit Annemie Eisert elegant ihre Pirouetten. All' dies geschah auf dem Zenssee". Erika Krasemann fügte im Gespräch den beachtenswerten Satz hinzu, dass auch Pastor Knothe begeisterter Schlittschuhläufer war.
Aber zurück zur Rodelbahn: In "Luftkurort Lychen. Das märkische Interlaken. ein Führer durch die Stadt und ihre Umgebung", 1927, ist extra ausgewiesen: "Ein Wegweiser deutet die Richtung der Rodelbahn an."
Heute steht dort kein Wegweiser mehr. Aber was spricht dagegen, ihn wieder aufzustellen? In gemeinnütziger Arbeit könnte die traditionsreiche Rodelbahn in der Buchheide wieder flott gemacht werden. Für Ski-Langläufer wäre das auch ein Start über eine weite Strecke am Waldrand und dem Wolfsgraben entlang bis hinunter zum Großen-Lychensee. Und dem nimmer müden Skeptiker sei entgegnet: Es gibt immer wiederr mal schneereiche, kalte Winter wie der letzte. Und - auf der Rodelbahn, vor allem aufwärts - würden so manche Pfunde purzeln!