Not macht erfinderisch

Veröffentlicht auf von anais

Stammtischglocke-002.jpg

 

Als in den 1950/60er Jahren wieder Wohlstand einkehrte, und sich die Frauen und Männer nicht mehr nur um das tägliche Brot bemühen mussten sondern auch Zeit da war für vergnügliche und amüsante Beschäftigungen, hatte bekanntlich Beate Uhse den Lebensbereich Erotik und Sex nicht nur geschäftlich für sich sondern auch als fantasiereiches Entfaltungsfeld für das Ausleben eines der menschlichen Grundbedürfnisse entdeckt. Die Tabuzone des ehelichen Kämmerleins brach sie auf und ließ Freizügigkeit und Licht hinein. Die erotische Revolution wurde von immer mehr Symphatisanten gefeiert und verbreitet. Heute gehört sie zum Alltag der westlichen Zivilisation.

Geht der Neugierige, aber vor allem der Bedürftige, manchmal auch Einsame in den Erotik-Shop, findet er das, was er wünscht, ohne weiteres in dem reichhaltigen Angebot.

So weit so gut - für die Menschen.

Wer aber hat schon bisher an die Tiere gedacht? Selbst wenn sie in Rudeln oder Scharen leben, kommt es nicht doch immer wieder vor, dass der eine oder andere - aus welchem Grund auch immer - allein gelassen wird? Was tut z. B. der Hahn, wenn ihm die Hennen fehlen?

Wie findig solch' ein Gockel auch ohne Beate Uhses Unterstützung sein kann, habe ich in den 1950er Jahren als junger, noch unaufgeklärter Knabe mit Staunen und Belustigung beobachtet.

Auf unserem Hof hielten sich meine Eltern fast jedes Jahr genügend Federvieh, Hühner, Enten und Gänse. Für sie war Mama zuständig. Sie setzt die Bruthenne auf die Eier. Wenn die Kücken geschlüpft waren, achtete sie sorgfältig darauf, dass sie am Leben blieben, wuchsen und gediehen.

Junghähne wurden bis auf den stärksten aussortiert und kamen in den Suppentopf. Ein Hahn blieb am Leben und durfte sich seiner Hühnerschar erfreuen.

Irgendwie aber, ich weiß nicht mehr weshalb, gingen einem Hahn die Hühner aus. Kann sein, dass sie alle geschlachtet werden mussten, weil sie ihre Federn verloren.  Der große, bunte Hahn mit seinen prächtigen Schwanzfedern blieb allein.

Lange hielt er seine Einsamkeit und Abstinenz nicht aus, denn eines schönen Nachmittags lief ich über den Hof zum Garten und zum See, blieb aber plötzlich wie angewurzelt stehen.

Unser Hahn stand auf einer noch mit Rinde umgebenen, kleinen Holzklobe, die vom Haufen weggerollt war - vielleicht hat er sie sich auch weggerollt - und trat mit seinen Beinen, duckte sein Schwanzteil auf das Holz. Die Klobe rollte ein Stück. Der Hahn sprang ab und flatterte wieder drauf.

Wieder oben in der Küche berichtete ich Mama von meiner Beobachtung. "Ach ja", meinte sie nur kurz, "dem Hahn fehlen die Hennen."

Sie schaute sich des Hahnes Vergnügen an den folgenden Tagen noch eine Weile an. Resolut, wie sie nun einmal war, meine sie zu meinem Vater: "Gucke mal, was der Hahn anstellt. Das geht ja nicht. Das ist ja abartig."

Vater machte kurzen Prozess. Er schlachtete den Hahn, und am Sonntag gab es gebratenes Hühnerfleisch, nachdem der Gockel zuvor in der Hühnersuppe weich gekocht war.

Heute frage ich mich: Was war daran abartig? Hat der Hahn nicht nach seinem Bedürfnis gehandelt und aus Mangel an fleischlichem Material ein Hilfsmittel benutzt?

Fazit: Was wir Menschen uns zugestehen, sollten wir auch den Tieren gönnen.

Veröffentlicht in Lychener Stammtisch-Geschichten

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post
C
<br /> Hallo Joachim,<br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> ja, heute geht es wirklich viel offener in der Sexualität zu, als früher, und manchmal machen auch Tiere ganz verrückte Sachen. Ich war aber gerade beim Lesen doch geschockt, dass der Hahn<br /> deshalb geschlachtet wurde. Ich hätte ihm vermutlich neue Hennen besorgt, und kann mir eh schwer vorstellen, Tiere zu essen, die ich lebend kannte und verpflegt habe.<br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> Naja, ich wünsche dir in jedem Fall ein schönes Wochenede<br /> <br /> <br /> und sende dir viele liebe Grüße<br /> <br /> <br /> Conchi<br />
Antworten
A
<br /> <br /> Hallo Conchi,<br /> <br /> <br /> ich denke heute genauso wie Du. Der arme Hahn hätte ein paar Hennen verdient. Aber so wird eben bei Kleintierhaltung für den Verbrauch gedacht. Da spielen Gefühle nur eine geringe Rolle.<br /> <br /> <br /> Liebe Grüße<br /> <br /> <br /> Joachim<br /> <br /> <br /> <br />
K
<br /> Hallo Joachim,<br /> <br /> <br /> danke für diese Geschichte aus Deinem Leben. Ja, der Sex, das ist so eine Sache! Während früher alles im Geheimen statt fand, man sich alles selbst erfinden mußte, wird heute in Illustrierten<br /> schon gut aufgeklärt. Mittlerweile wird ja schon Kindern eingetrichtert, sie sollen alles ausprobieren. Richtig finde ich es nicht aber die "GRÜNEN" finden es gut. Kinder sollten unbeschwert<br /> aufwachsen und mit Sex verschont bleiben bis sie es verstehen und ausprobieren wollen.<br /> <br /> <br /> Der Hahn tut mir leid. Nur weil er keine Hennen hatte, kam er in den Suppentopf. Stell Dir das mal bei Menschen vor. Ich könnte keine Tiere essen, die bei mir gelebt haben. Da sind dann einfach<br /> zuviele Gefühle im Spiel. <br /> <br /> <br /> Liebe Grüße, Katharina<br />
Antworten
A
<br /> <br /> Hallo Katharina,<br /> <br /> <br /> so ist eben der Mensch. Er ist ein zivilisierter Fleischfresser. Er hält sich Tiere, um sie zu verzehren. Müsste jeder sie jagen, würden viele auf Fleisch und Geflügel verzichten. Mutter hatte<br /> die einstellung eines Kleintierhalters für die Versorgung der Familie.<br /> <br /> <br /> Liebe Grüße<br /> <br /> <br /> Joachim<br /> <br /> <br /> <br />
A
<br /> Guten Abend Joachim<br /> <br /> Meinen Dank für dieses Thema.<br /> <br /> Ich weiß nicht wirklich, wie ich anfangen soll.<br /> Ich schreibe einfach so, wie ich es denke.<br /> <br /> Nein, kann ich nicht, habe meinen ganzen Vortext gelöscht.<br /> <br /> Ich weine um deine Erfahrungen, weil ich sie verstehe.<br /> <br /> Tiere wissen was sie wollen und richten sich nach Ihren Gefühlen.<br /> <br /> Wenn etwas nicht ins menschliche Schema passt, wird es vernichtet.<br /> <br /> Ein Hahn ohne Henne.<br /> <br /> Thema Hamster:<br /> <br /> Hat ein Hamster seinen Partner gefunden machen sie Sex,<br /> egal welches Geschlecht.<br /> Ist der Hamster-Partner tot, benutzen sie Gegenstände um sich zu befriedigen.<br /> <br /> Nicht, weil sie sexgeil sind, sondern darum,<br /> weil der jeweilige Ex-Partner Gene hinterlässt,<br /> welches Fremdgehen so ausschließt,<br /> dass der sogenannte Fremdgeher stirbt.<br /> <br /> Ich weiß nicht, wie das in der Hühnchenwelt ist.<br /> <br /> Ich weiß aber, dass man ein Recht auf sexuelle Befriedigung hat.<br /> <br /> Das ist dann Eigenthema, darf nicht verurteilt werden.<br /> <br /> Wer schwul ist, lesbisch oder bi -<br /> alles ist erlaubt.<br /> <br /> Mit Allem, meine ich auch Alles.<br /> <br /> Früher sah man es anders, weil die Kirchen gesagt hatten was normal ist.<br /> <br /> Ich bin eNTen-technisch nicht normal.<br /> <br /> Ach,<br /> ich hoffe du kannst verstehen, was ich sagen möchte<br /> Was ein Thema...<br /> <br /> <br /> <br /> lg Uli<br />
Antworten
A
<br /> <br /> Hallo Uli,<br /> <br /> <br /> ich habe gut verstanden, was du meinst und teile völlig Deine Meinung. Vielen Dank für Deine guten Gedanken.<br /> <br /> <br /> Liebe Grüße<br /> <br /> <br /> Joachim<br /> <br /> <br /> <br />
R
<br /> Ha! Gut gebrüllt, Löwe. Apropos Löwe: Wenn die einen Konkurrenten mit Anhang aus dem Feld geschlagen haben, töten sie zuerst den männlichen Nachwuchs des Vorgängers. Damit nur ihre Gene sich<br /> weitervererbt (stellt sich die Frage: woher wissen die das mit den Genen?). Was will ich sagen? So ganz sollten wir die Tiere nicht auf unsere Ebene stellen. Der Hahn war abartig für Deine Mutter<br /> - und unnütz. Da haben wir sie wieder, die Nützlichkeitserwägung, verbrämt mit sexueller Ablehnung. Was schließen wir aus Deiner Geschichte? Junge Menschen auf einem Tierhof kriegen viel<br /> lehrreiches zu sehen.<br /> <br /> <br /> In diesem Sinne<br /> <br /> <br /> und mit tierisch netten Grüßen<br /> <br /> <br /> RE<br />
Antworten
A
<br /> <br /> Hallo RE,<br /> <br /> <br /> das der Löwe im Konkurrenzkampf zuerst den Nachwuchs der Vorgängers  tötet, wusste ich.<br /> <br /> <br /> Was Du über die Sicht von uns Menschen zu Tieren geschrieben hast, ist gut und für alle wissenswert. Mutter hätte für den Hahn Hühner anschaffen sollen. Dann hätte sie wieder ein normales Bild<br /> für sich.<br /> <br /> <br /> Gruß aus Lychen<br /> <br /> <br /> Joachim<br /> <br /> <br /> <br />