Teufelsinsel und Kamerun

Veröffentlicht auf von anais

 

Bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts war der Große Lychensee ausgedehnter in seiner Fläche als heute. Er erstreckte sich bis nahe an den Stadtsee und im Nordosten bis an die alte Zugbrücke vor dem Nesselpfuhlsee. Das änderte sich zum Ausgang des 19. Jahrhunderts , als die Eisenbahnlinie von Fürstenberg/Havel über Lychen nach Templin gelegt wurde.

Im Frühjahr 1899 begann man zügig mit dem Bau. Als schwierigster Teil erwies sich die Errichtung des Eisenbahndammes durch den Großen Lychensee. Um den Höhenunterschied zwischen Hohenlychen und Lychen zu überwinden, wurde ein tiefer Einschnitt geschaffen, der am hoch über dem Stadtsee gelegenen Sägewerk am größten war. Der Sand vom Ausheben des Eisenbahnausschnitts wurde zum Aufschütten des großen Dammes benutzt, der den Stadtsee im großen Halbkreis umgeben und durch das nordöstliche Ende des Großen Lychensees führen sollte.

Unvorhergesehene Zwischenfälle erschwerten das Werk. Immer wieder sackte der hoch aufgeschüttete Damm ab. Am 6. April 1899 stürzte er auf einer Länge von 30 Metern 4 Meter tiefer in den Großen Lychensee ein. Am 13. und 25. April sackte er ebenfalls an anderer Stelle ab. 

Als die ersten Züge probeweise über den Damm fuhren. kippten sie aus den Gleisen, sodass immer wieder nachgebessert und befestigt werden musste.


Spätere Bohrungen und Messungen ergaben, dass sich am Nordende des Sees ein Kessel von mindestens 13 Metern Tiefe mit schlammigem Untergrund befand. Der Morast hatte den Damm nur eine gewisse Zeit getragen. Aus den abgesackten Sandmassen entstanden zwei Inseln. Die nordöstliche Insel hatte eine Oberfläche von 12 000 qm, die Südöstliche war etwas kleiner.

Die große Insel bildete sich über Nacht. Als die alten Lychener frühmorgens die Bescherung sahen, stauten sie und wunderten sich. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Dort musste Luzifer seine Hand im Spiel gehabt haben. Und so meinten die Schlauesten: "Die hat über Nacht der Teufel dahin geschmissen!" So haten sie dem künstlichen Eiland seinen Namen verpasst. Heute in Vergessenheit geraten, führt über sie der weiter aufgeschüttete Bahndamm, dessen Ufer mit Erlen bewachsen sind. 

Das neu entstandene Land bis zur Brücke an der heutigen Berliner Straße wurde bald "Kamerun" genannt, weil die Leute in den Gärten Zichorie anbauten als Kaffeeersatz in den schweren Zeiten während und nach dem I. Weltkrieg.

Veröffentlicht in Lychener Stammtisch-Geschichten

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R
<br /> Zichorie habe ich noch nie gehört, da muss ich mal googeln ;-) Also wenn ich auf einmal über Nacht eine Insel entdecke, denke ich sicher nicht gleich an den Teufel, sondern ich würde mich<br /> eher fragen was uns die Natur damit sagen will, lG Regina<br />
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A
<br /> <br /> Hallo Regina! Zichorie ist die verbesserte Form der blau blühenden Wegwarte. Das ist die wilde Zichorie. Von der Gartenzichorie wurden die Wurzeln getrocknet, geröstet und gemahlen. Das ergab ein<br /> Kaffee ähnliches Getränk - etwas bitter. In Bergien z. B. wird das heute noch gerne zum Frühstück getrunken.<br /> <br /> <br /> Liebe Grüße<br /> <br /> <br /> Joachim<br /> <br /> <br /> <br />
K
<br /> Hallo Joachim, danke für die geschichtlichen Ereignisse über Lychen. Ich lese gerne solche Berichte aus vergangenen Zeiten. Zichorie sollte man wohl bald wieder anbauen. Es kommen schwere Zeiten<br /> auf uns zu! <br /> <br /> <br /> Liebe Grüße, Katharina<br />
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A
<br /> <br /> Hallo Katharina! Wenn die düsteren Prognosen eintreffen, wird der Bohnenkaffee zum Luxus. Dann werden wir Zichorie anbauen, rösten und mahlen und als Kaffeeersatz trinken. Hoffentlich wird es<br /> nicht notwendig werden.<br /> <br /> <br /> Liebe Grüße<br /> <br /> <br /> Joachim<br /> <br /> <br /> <br />