Winteraustreibung
Erste Scheeglöckchenknospen im Schnee.
Während wir heutzutage argwöhnisch und voller Bangen darauf warten, dass der Winter das Feld räumt und auch mal nachhelfen, damit die ersten Frühlingsblüher leichter durch die Schneedecke kommen, gingen unsere Vorfahren im guten Glauben tatkräftiger und spektakulärer ans Werk. Der Winter wurde mit viel Lärm und Hallotria ausgetrieben.
Ein solcher Brauch - er stammt eigentlich aus der Lausitz - war auch weiter nördlich in der Mark üblich.
Die Frauen banden eine mächtige Strohpuppe zusammen, bekleideten sie mit einem Sterbehemd und hüllten sie in einen Brautschleier. In die linke Hand gaben sie ihr eine Sense und in die rechte einen Besen. Die Strohpuppe stellte den Winter dar.
Unter Rufen, Kreischen und Johlen trug man sie aus dem Dorf heraus. An einigen Orten schleppte man die Strohpuppe hinaus aufs Feld, um sie in einem Tümpel zu ertränken. Anderorts wiederum wurde die Puppe auf Hügeln verbrannt. Es soll auch boshafte Leute gegeben haben, die die Strohpuppe hinaustrugen und auf den Acker des Nachbarn warfen. Da kam es zu ernsthaften Streitigkeiten, dass sogar die Polizei einschreiten musste. In anderen Gegenden hängte man das Sterbehemd des Winters in einen einsamen Feldbaum und rief dazu: "Der Winter ist tot! Es lebe der Frühling!
Die Prozedur endete schließlich lustig und fröhlich. Die Frauen und Mädchen steckten sich Kätzchen ans Mieder, erste Frühlingsblumen ins Haar und sangen die schönsten Frühlingslieder. Anschließend ging es zu einem Tänzchen in den Dorfkrug.
(Frei wiedergegeben nach einer Erzählung des Heimatdichters Gustav Metscher)