Ponta do Sol erinnert mich an Lychen
Ich laufe die steile, mit Steinen gepflasterte Straße vom Hang, an dem mein Hotel steht, wohl an die 500 Meter hinab bis auf den Marktplatz von Ponta do Sol (Sonnenspitze). Zuvor hatte ich mich etwas über die Bedeutung des Ortes informiert. Das will ich kurz weitergeben, bevor ich meine eigenen ersten Eindrücke schildere.
Während der Kolonialzeit war Ponta do Sol eine wichtige Handels- und Verwaltungsstadt. Vom Hafen wurden die Produkte des fruchtbaren Nordostens von Santo Antao exportiert, vor allem Kaffee, aber auch Bananen und Leder. Einige Jahre lang diente der Ort sogar als administratives Zentrum der Barlovento-Inseln (nordöstliche Inseln von Cabo Verde), bis Mindelo auf Sao Vicente 1935 diese Funktion übernahm. Bis 1960 blieb der Ort noch Hauptstadt von Santo Antao, wurde dann aber von Porto Novo abgelöst. Wegen gesunkener Weltmarktpreise war der Kaffee-Anbau faktisch zum Erliegen gekommen.
Einige Gebäude zeugen noch von der wirtschaftlichen Bedeutung in der Vergangenheit. An dem großen zentralen Platz sieht der Besucher die breite Fassade der Camara Municipal, des Rathauses, erbaut 1882.
Nicht zu übersehen ist die katholische Pfarrkirche an der zum Meer gewandten Seite mit ihrem geschwungenen Giebel im Stil des Kolonialbarocks. Sie erhielt nur einen Turm an der linken Seite. Zur vollen Stunde ertönt die Glocke.
In der Mitte des Platzes ist ein Park angelegt mit Hibiskus- und Oleandersträuchern. Auch prächtige Hakenlilien (Crinum) blühen in der Winterzeit. Große, abgerundete Steinbänke laden zum Sitzen ein. Das tue ich und schaue auf die lange Fensterfront einer gedachten Einkaufspassage. Sicherlich haben sich die Investoren dort mehr Commerz versprochen. Die meisten Läden stehen leer. Nur eine afrikanische Massage, ein sehr gediegenes Kunstgewerbe-Geschäft und ein Café befinden sich in dem lang gestreckten Bau.
Ponta do Sol zählt jetzt 2000 Einwohner.
Irgendwie fliegen meine Gedanken dabei nach Lychen. Klar, die Architektur und die Lage sind völlig anders. Aber die wenigen Leute auf dem Platz, leere Geschäfte und eine gewisse Eintönigkeit erinnern mich an unser Stadtzentrum. Einfach nichts los.
Nun gut. Ich erhebe mich und streife durch die Straßen und Gassen. Gegen 14.00 Uhr esse ich in einem guten, kleinen Restaurant Omelett mit Gemüsebeilage.
Die Wirtin erklärt mir, wie ich laufen muss, um an einen Abstieg zum Meeresufer zu kommen. (Ich suche hier nämlich auch wieder einen Badestrand).
Als ich auf der Uferpromenade vor der Treppe stehe, kommen mir Zweifel, ob ich hier schwimmen gehen sollte. Alle Ufer sind felsig, von schwarzem, zerklüftetem Gestein. Dazu eine starke Brandung.
Ich schlendere wieder den gleich Weg auf der Uferpromenade zurück und gelange an den kleinen Fischerhafen. Eine ältere, freundliche Frau erklärt mir, es wäre hier im Wasser überall glitschig. Schließlich bittet sich mich um einen Bonbon.
Weiter am Meeresufer entlang liegt die Piste des früheren Flughafens von Ponta do Sol. Der Flugverkehr wurde bald eingestellt, weil starker Wind eine Maschine ins Meer geweht haben soll, erzählen mir die Leute.
Gegen 16.00 Uhr trinke ich einen guten Kaffee und esse ein süßes Brötchen in der Pasteleria (Café). Die junge Frau, die mich bedient, meint, ich sollte in den Nachbarort Ribeira Grande fahren. Dort gäbe es einen Strand. Es wäre doch aber kalt, schaudert sie. "Macht nichts", erwidere ich,, ohne zu ahnen, dass mir die Natur hier diesen Gefallen nicht tun wird.
Ich bemühe mich den langen Hang zu Fuß wieder hinauf, lege mich aufs Ohr und esse oben auf der Dachterasse abends ein Fischfilet mit Gemüse und Reis. Dazu trinke ich einen großen Tee für ca. 1000 Escudos...